BLOGBEITRAG

„Mein Auto, mein Haus, mein Boot“ war gestern. Warum Teilen immer mehr zum sinnvollen Trend wird.

Nadia Schmitt
Allgemein, ÖPNV

Studien* belegen, dass die GenZ auf Besitz gar nicht mehr viel Wert legt. Unsere Gesellschaft ist pragmatisch geworden, Menschen wollen flexibel bleiben. In Zeiten von immer mehr ortsunabhängigem Arbeiten braucht man kein eigenes Auto vorm Eigenheim, sondern ein kostengünstiges, einfaches Angebot egal wo man gerade ist. Der Nachhaltigkeitsgedanke und die nach oben drehende Kostenspirale tun ihr Übriges. Viele in unserem Land schauen neidisch zu unseren Nachbarn – Amsterdam, Paris und Kopenhagen sind Symbolstädte für gelungene Infrastruktur geworden, durch die sich der Mensch auch urbane Räume zurückerobert hat. Doch auch in Deutschland hat sich in den letzten Jahren viel getan. Nicht flächendeckend, nicht ausreichend, aber während man vor 10 Jahren ohne das eigene Auto nur vier Alternativen hatte – Bus, Bahn, Taxi oder Mietwagen – hat sich das Spektrum an Angeboten deutlich erweitert. Neue Sharingangebote wurden dabei insbesondere durch digitale Lösungen beflügelt. Wer von A nach B möchte, schaut heute in eine der zahlreichen APPs und bucht dort sein E-Scooter, Busticket oder seine Fahrgemeinschaft. Mitfahrapps, On-Demand-Lösungen oder autonom fahrende Shuttles sind Bausteine der heutigen Shared Mobility und bilden gemeinsam integrierte Mobilitätsnetze, die nahtlos aneinander anknüpfen.
Strecke an Strecke geht nur Hand in Hand. Für eine nahtlose Infrastruktur muss vieles und müssen viele unter einen Hut bekommen werden: Technologischen Anbietern und Start-ups fehlt oft die Verbreitung und das Know-How für flächendeckende Lösungen, Kommunen und Betreiber des öffentlichen Verkehrs wiederum brauchen digitales Know-how und Innovationen, um ihren Verkehr in Ergänzung von Bus & Bahn neu aufzugleisen. Und das Gros der Unternehmen fängt gerade erst an, das Thema Mobilität für sich zu entdecken, dabei profitiert speziell die große Gruppe der Mitarbeitenden besonders von besseren Anbindungen ihrer Arbeitsstätte.

Betriebliches Mobilitätsmanagement sollte überbetrieblich gedacht werden.

Gewerbegebiete, Büroparks und Co. können am besten gemeinsam mit Sharing-Tools, Mobilstationen und dem ÖPNV neue Strecken, Taktungen und Lösungen für die sogenannte letzte Meile anbieten. Dazu gilt es, Allianzen zu schmieden und frühzeitig die Kommune ins Boot zu holen. „Der Bedarf an vernetzten Mobilitätsangeboten ist enorm und wir werden ihn nur dann decken können, wenn Investoren, Privatwirtschaft und die öffentliche Hand noch enger zusammenarbeiten“, ruft Stefan Peltzer (Leiter IHK-BEMO) zu mehr gemeinsamer Bewegung auf. Aber auch ohne kommunale Unterstützung können Arbeitgebenden kreativ werden und z.B. einzeln oder gemeinsam selbst zu Sharinganbietern werden, Poolfahrzeuge zur dienstlichen und privaten Nutzung zur Verfügung stellen und Fahrgemeinschaften forcieren. Durch Apps wie das Pendlerportal können Mitarbeitende gemeinsame Fahrten zum Arbeitsort arrangieren. Unternehmen können dies unterstützen und mit einem eigenen, „Corporate Car-Sharing“ als Fallback-Lösung den Nachhauseweg sicherstellen, auch, wenn eine Fahrgemeinschaft einmal nicht zustande kommt. Bei der Telekom überbrücken beispielsweise On-Demand-Shuttles die erste und letzte Meile zum bestehenden ÖPNV für Berufspendler. Die Mitarbeitenden können den Shuttle-Service über eine App bestellen und erhalten dann eine Abholzeit und -ort, die sich an ihrem individuellen Fahrplan orientiert. Alle Shuttles sind mit WLAN und USB-Ladestationen ausgestattet und sollen ein komfortables und effizientes Pendeln ermöglichen.

Ländlicher Raum muss erschlossen werden

Die Vielzahl der Lösungen und Anbieter ist beeindruckend und macht Mut, dass auch der ländliche Raum sukzessive erschlossen werden kann. Gerade hier hängt die Situation der Unternehmen maßgeblich davon ab, wie sie es ihren Mitarbeitenden zeitgemäß, ohne eigenen PKW, ermöglichen können zur Arbeit zu kommen. Menden machts vor. Ein laufendes Modellprojekt ist das Projekt „Lebenswertes Gewerbegebiet“ Hämmer in Menden. Hier wird (Über-)betriebliches Mobilitätsmanagement bei der Entwicklung eines Gewerbegebiets von Anfang an mitgedacht. Es handelt sich um den neuen südlichen Teil des Gewerbegebietes Hämmer mit 25 HA neuer Gewerbefläche und der Möglichkeit, bis hin zur Schwerindustrie unterschiedliche Unternehmen anzusiedeln. Es werden rund 5.000 neue Arbeitsplätze im Gewerbegebiet entstehen. Allerdings sind unterstützende Angebote für eine „staufreie“ Anreise nicht gewünscht, damit die Pendler aus dem Ruhrgebiet nicht alle mit dem eigenen Pkw zum Arbeitsplatz fahren. Im Gegenteil: Hier soll ein lebenswertes Gewerbegebiet entstehen, unter anderem mithilfe von durchdachten Mobilitätsangeboten, zugeschnitten auf die Unternehmen und ihre Arbeitnehmer:innen. Gemeinsam mit dem Märkischen Arbeitgeberverband, dem lokalen ÖPNV-Betreiber der Märkischen Verkehrsgesellschaft, der TU Dortmund und den Stadtwerken Menden soll u.a. ein zentraler Mobilitäts-Hub im Gewerbegebiet errichtet und nachfrageorientierte Angebote und Services bündeln. Matthias Thelen (Stadtwerke Menden) betont: „Die Mobilitätswende scheitert im ländlichen Raum, wenn dort nicht mehr Use Cases der Zukunftsmobilität erprobt werden. Dabei müssen wir gemeinsam mit den Unternehmen vor allem einen Fokus auf die Mitarbeitermobilität legen, denn junge Menschen können ohne eigenes Auto schlichtweg den Ausbildungsbetrieb nicht erreichen, was den Fachkräftemangel im Mittelstand deutlich verschärfen wird.“

* https://www.jstor.org/stable/pdf/resrep21774.pdf; https://www.ssoar.info/ssoar/handle/document/42748; http://fox.leuphana.de/portal/files/3881633/Heinrichs_Grunenberg_Sharing_Economy.pdf

0231 5417-148

s.hellali-milani@dortmund.ihk.de

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