BLOGBEITRAG

„Es gibt aus meiner Sicht kein ‚Entweder-oder‘, sondern nur ein ‚Sowohl-als-auch‘.“

Nadia Schmitt
Allgemein

Welche Schubkraft erhält die Verkehrswende unter der neuen Landesregierung? Welche Chancen bieten sich durch die Zusammenlegung der Ressorts Umwelt, Naturschutz und Verkehr?  Minister Oliver Krischer im Interview.

Ihr Ministerium verantwortet die Themen Umwelt, Naturschutz und Verkehr. Inwieweit bringt dieser Zuschnitt die Verkehrswende schneller voran?

Der Zuschnitt des Ministeriums schafft die Chance, Abstimmungs- und Planungsprozesse zu beschleunigen. Die Bereiche tangieren sich regelmäßig. Wenn zum Beispiel ein größeres Ausbauvorhaben in der Schieneninfrastruktur umgesetzt werden soll, kommen oft auch Fragen des Umwelt- und Naturschutzes auf. Diese Fragestellungen können nun mit der Verknüpfung der Kompetenzen und Zuständigkeiten innerhalb eines Ministeriums direkt mitgedacht werden. Insofern bedeutet dies einen Schub für die Verkehrswende, da man bei größeren Projekten mit Verlagerungspotenzial zu den Verkehrsmitteln des Umweltverbunds mehr Tempo machen kann.

Darf man die Reihenfolge auch als Rangfolge verstehen?

Nein, alle Politikfelder sind ohne Rangfolge gleichberechtigt. Für mich heißt es nicht: Verbesserung der Infrastruktur oder Schutz der Natur, Mobilität oder Klimaschutz. Es gibt aus meiner Sicht kein ‚Entweder-oder‘, sondern nur ein ‚Sowohl-als-auch‘. Das ist mein Anspruch als Minister: Widersprüche aufzulösen und in Einklang miteinander zu bringen.

Bessere Mitarbeitermobilität durch betriebliches Mobilitätsmanagement nimmt bei der Einsparung von CO2-Emissionen einen großen Stellenwert ein. Was wollen Sie dafür als Minister ändern, weiterführen oder auch ausbauen?

Mit dem Zukunftsnetz Mobilität NRW schreiben wir hier in NRW eine langjährige Erfolgsgeschichte: Das Zukunftsnetz ist oftmals die allererste Beratungsinstanz für die Kommunen, wenn es um Fragen der nachhaltigen Mobilitätsentwicklung geht. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zukunftsnetzes kennen die verschiedenen Fördermöglichkeiten und können hierzu informieren. Sie können Kontakte vermitteln und Brücken bauen, wenn es an irgendeiner Stelle mal haken sollte.
Im Koalitionsvertrag ist festgehalten, dass wir das Zukunftsnetz Mobilität NRW in dieser Legislaturperiode stärken und insbesondere Projekte für betriebliches Mobilitätsmanagement unterstützen wollen. In diesem Sinne fördern wir bereits seit 2021 das IHK-Netzwerkbüro Betriebliche Mobilität NRW, das Unternehmen bei ihrer Transformation in Richtung einer nachhaltigeren Mobilität berät und Mobilitätsmanager*innen ausbildet, die in den Betrieben heute und in Zukunft gebraucht werden. Gemeinsam mit dem IHK-Netzwerkbüro und dem Zukunftsnetz haben wir eine enge Zusammenarbeit sowie eine regelmäßige inhaltliche Abstimmung bei den jeweiligen Themen und Projekten vereinbart. Ein konkretes Ergebnis dieser Kooperation ist der aktuell laufende Landeswettbewerb ‚ways2work‘.
Diesen Weg gehen wir nun konsequent weiter, indem wir – analog zum IHK-Netzwerkbüro – die Errichtung eines Kompetenzbüros beim Westdeutschen Handwerkskammertag fördern. Dadurch erweitern wir unseren Instrumentenkasten deutlich und können Stakeholder ansprechen sowie für einen Weg in Richtung einer nachhaltigeren Mobilität motivieren, die wir vorher nicht erreicht haben.

Aktuell wird z.B. über das Dienstwagenprivileg die Nutzung des persönlichen Autos gefördert. Nachhaltige Mobilität wird derzeit vom Gesetzgeber nur in einigen wenigen Bereichen steuerlich bzw. abgabentechnisch begünstigt. Was braucht es als attraktive Alternativen zum persönlichen Auto? Woran fehlt es noch?

Es geht nicht um die private Nutzung von Dienstwagen, sondern um die steuerliche Subventionierung von großen und klimaschädlichen Fahrzeugen. Das ist nur eine von vielen umweltschädlichen Subventionen und zudem noch eine sozial sehr ungerechte. Das Umweltbundesamt beziffert die Gesamtsumme der umwelt- und klimaschädlichen Subventionen auf unglaubliche 66 Milliarden Euro. Damit entgeht dem Staat Geld, das anderweitig besser investiert werden könnte, um dadurch möglichst allen zugute zu kommen: In die Verbesserung des Fern-, Regional- und Nahverkehrs, in den Ausbau alternativer Mobilitätsangebote, in die Radinfrastruktur usw. Gerade in diesen Bereichen muss zukünftig noch stärker investiert werden, um mit überzeugenden Angeboten mehr Menschen zum Umstieg aus dem eigenen Auto zu bewegen.
Aber es läuft bereits einiges in die richtige Richtung: Was zum Beispiel die Frage nach der steuerlichen Begünstigung nachhaltiger Mobilität betrifft, so nimmt das Thema Fahrrad-Leasing über den Arbeitgeber einen immer größer werdenden Stellenwert ein. Oder nehmen wir die anstehende Tarifrevolution im ÖPNV als Beispiel: Ein Ticket, ein Preis, ein Tarifgebiet – Mit dem bundesweit einheitlichen, bezahlbaren ‚Deutschlandticket‘ werden demnächst Jahrzehnte alte Tarifgrenzen aufgesprengt. Die Einführung dieses Tickets wird aus meiner Sicht einen enormen Schub für den ÖPNV mit sich bringen.

Mit ‚ways2work‘ fördert das Land Nordrhein-Westfalen explizit Gemeinschaftsprojekte von Kommunen und Unternehmen. Warum halten Sie das für notwendig oder wichtig?

Viele Fördermöglichkeiten, die wir anbieten, richten sich in erster Linie an die Kommunen. Die Unternehmen haben jedoch den direkten Kontakt zu der Belegschaft, können dort schnell und unkompliziert Bedarfe ermitteln und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über Mobilitätsthemen informieren. Vor diesem Hintergrund macht es einfach Sinn, dass sich beide Seiten zusammentun – nicht nur für den Wettbewerb, sondern auch darüber hinaus. Das ist schließlich ein gewünschter Nebeneffekt von ‚ways2work‘: Die Etablierung eines Dialogs zwischen allen Seiten, um Bedarf, Planung und Umsetzung dauerhaft bestmöglich übereinander legen zu können.
Der Wettbewerb ist eine tolle Chance, sowohl für die Unternehmen deren Mitarbeitermobilität als auch das gesamtstädtische Mobilitätskonzept zu verbessern. Daher möchte ich abschließend gerne noch einmal zur Teilnahme aufrufen: Es gibt nichts zu verlieren, aber eine Menge zu gewinnen. Ich freue mich jedenfalls auf möglichst zahlreiche Projektskizzen aus ganz NRW.

 

Vielen Dank für das Interview.

 

0231 5417-148

s.hellali-milani@dortmund.ihk.de

Jetzt zum Newsletter anmelden